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Achtsamkeit & Meditation

Sich in jeder Lebenssituation gut um sich selbst zu kümmern, ist wichtig, dann kann man auch schwierige Zeiten gut überstehen. Freude, Dankbarkeit und sinnvolle Tätigkeiten können hilfreich sein und die eigene Widerstandskraft stärken.

Resilienz ist ein Begriff aus der Medizin und bedeutet wörtlich „nicht anhaften“, „zurückspringen“. Wohin? In einen vertrauten, besseren Zustand. Heute versteht man darunter die Fähigkeit, sich nach Erschöpfung oder Überforderung, nach Aufregung, Angst und Sorgen körperlich, emotional und mental relativ schnell zu regenerieren. Das ist schon im Alltag nicht leicht und in diesen Zeiten besonders wichtig, damit wir in den vielen aktuellen Krisen nicht zusammenbrechen: Klimaerwärmung und Krieg, Pandemie und Inflation, verzweifelte, frustrierte und wütende Mitmenschen und dann vielleicht noch eine Krankheit.

Der Begriff Resilienz ist ambivalent, denn er kann zu technischem Denken verführen. Sind Menschen verzweifelt oder am Ende ihrer Kräfte, glauben sie, sie müssten sofort effiziente Methoden kennen und einsetzen, um den vorigen rundum zufriedenstellenden und zuversichtlichen Zustand wiederherzustellen. Aber Menschen sind keine Maschinen, die bei einer Störung schnell wieder repariert werden können, auch wenn die moderne Medizin manchmal dieses Bild vermittelt.

Lebenssituation

Die Chance des Resilienz-Ansatzes besteht darin, dass man etwas Wichtiges begreift: Wir müssen lernen, uns in allen Dimensionen des Lebens gut um uns zu kümmern. Erst dann sind wir in der Lage, auch unangenehme und schwierige Erfahrungen mit uns selbst, anderen und der Welt zu verarbeiten.

Die Ambivalenz dieses Begriffs erinnert an die Unterscheidung zwischen Müdigkeit und Erschöpfung im Kontext der Burn-out-Erkrankung. Müdigkeit ist normal, denn nach viel Arbeit und Einsatz brauchen Leib und Seele Erholung und Ruhephasen. Und, wie Hannah Arendt in ihrem Buch „Vita activa“ betont, Erholung gehört zum Arbeitsprozess dazu. In Analogie zu einer alten Gewerkschaftsforderung „Fahrtzeit ist Arbeitszeit“ könnte man sagen „Erholungszeit ist Arbeitszeit“. Erschöpfung jedoch entsteht durch Überforderung, und dann reicht ein bisschen Ausruhen nicht.

Wir müssen lernen, uns in allen Dimensionen des Lebens gut um uns zu kümmern.

In Anlehnung an den Philosophen Lambert Wiesing sind die Begriffe „Leib und Seele“ für das eigene Erleben und „Körper und Geist“ für die Beobachterperspektive passend. Wir müssen Erlebtes mit „Leib und Seele“ spüren, damit wir wissen, was wir gerade brauchen.

Die Neurowissenschaften betonen, dass man nicht den ganzen Tag im Sympathikus-Modus agieren kann. Dieser ist zwar manchmal notwendig, um in einer schwierigen Situation alle Kräfte zu aktivieren, kostet aber viel Energie. Gerade in unruhigen Zeiten muss man wissen, wie man sich beruhigen kann. Dazu gehört, dass man lernt, immer wieder in den entspannten Parasympathikus-Modus der Erholung und Regeneration umzuschalten. Auch die Soziologie lehrt seit vielen Jahren, dass relativ selbstbestimmtes und sinnvolles Tun weniger erschöpft; fremdbestimmtes oder als wenig sinnvoll betrachtetes Tun führt dagegen schneller zu Burn-out.


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 122: „Resilienz"

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 Wie kann man Resilienz entdecken und fördern? Dankbarkeit und Freude, Sinnvolles zu erleben und das zu tun, was einem am Herzen liegt, niemandem schadet und hoffentlich auch anderen hilft, gelten im Buddhismus als Königswege zu Resilienz und Herzensfrieden.

Der Buddhismus definiert Energie und Tatkraft beziehungsweise Ausdauer, in Sanskrit virya, als Freude am heilsamen Tun. Als Gegenteil von dieser Art Ausdauer gelten drei Arten von Trägheit – Unlust beziehungsweise Abwehr, mangelndes Selbstvertrauen und unklare Prioritäten. Dazu werden jeweils passende Heilmittel empfohlen.

Bei Unlust: Wer eine Arbeit ungern macht, kann aus Überzeugung von ihrem Sinn und ihrer Notwendigkeit aufräumen oder abwaschen, ausmisten oder die Steuer erledigen. Vielleicht kann man auch andere um Hilfe bitten.
Bei mangelndem Selbstvertrauen: Wer eine Arbeit immer wieder verschiebt, weil er sie sich nicht zutraut, kann Rat suchen oder andere um Hilfe bitten.
Bei unklaren Prioritäten: Wer keine Zeit findet für das, was ihm am Herzen liegt, weil er sich aus Unachtsamkeit und Gewohnheit verzettelt, sollte seine Prioritäten klären. Eine kleine Übung zu diesem zentralen Thema gibt es im Kasten.


Übung: Prioritäten klären

Notieren Sie zehn Dinge, die Ihnen am Herzen liegen: spazieren gehen, Gedichte lesen, singen und tanzen, Freunde besuchen oder etwa einfach mal nichts tun. Und dann zehn Dinge, mit denen Sie in den letzten Wochen beschäftigt waren. Stimmen die beiden Listen in vielen Punkten überein, sind Sie vermutlich in guter Verfassung und zufrieden mit Ihrem Leben. Haben sie wenig miteinander zu tun, fühlen Sie sich womöglich häufig überfordert oder unter Druck.
Sie können sich vornehmen, sich in den nächsten Wochen an zwei, drei Tagen für zwei wesentliche Dinge je eine halbe Stunde Zeit zu nehmen.
Wenn das ein paar Wochen lang gut geht, können Sie sich einen Tag in der Woche freinehmen und nach einem halben Jahr vielleicht sogar ein ganzes Wochenende im Vierteljahr. Und dann tun Sie das, was Ihnen am Herzen liegt und guttut. Wir können das „Ferien vom Ich“ nennen, wie mein Herzenslehrer Lama Thubten Yeshe einmal einen meditativen Rückzug, auf neudeutsch Retreat, definierte. Dieser Rat ist vielleicht nicht leicht umzusetzen. Aber wenn man scheitert, weiß man zumindest, dass man es versucht hat.

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Sylvia Wetzel

Sylvia Wetzel

Sylvia Wetzel ist buddhistische Lehrerin, Publizistin und Mitbegründerin der Buddhistischen Akademie Berlin-Brandenburg sowie Pionierin des Buddhismus im Westen. www.sylvia-wetzel.de
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